Die Zehnerjahre – Aktualisierungen & Pluralisierungen


Konzert "Wir sind mehr", 3. September 2018, Chemnitz © De Havilland; CC BY-NC 2.0
Konzert "Wir sind mehr", 3. September 2018, Chemnitz © De Havilland; CC BY-NC 2.0

Die 2010er-Jahre zeugen von einer bemerkenswerten Veröffentlichungsfreude im Themenfeld. Diese geht einher mit einer verstärkten Pluralisierung der Perspektiven und (thematischen) Motive. In der Beschäftigung mit ostdeutschen Lebens- und Erfahrungsräumen rücken nun stärker die 1990er-Jahre in den Blick: (rechte) Gewalt als Alltagserfahrung, Prekarität und Abwanderung als generationsprägende Erfahrungen. Damit ist immer wieder die Frage nach den Auswirkungen bis in die Gegenwart verknüpft, die Frage nach der Rolle der historischen Ereignisse für die gegenwärtige politische und gesellschaftliche Polarisierung.

 

Neue Themen und Perspektiven kommen hinzu. So gewinnt '89' als Migrationserzählung im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 an Bedeutung (u. a. in den Songs von Kettcar, Stoppok sowie Zugezogen Maskulin). Zugleich bleibt die Frage nach Herkunft und Prägung in den aufgeführten Songs relevant. Dabei sind Identitätsbezüge nun häufig lokal verortet und erfolgen vor dem Hintergrund heterogener Heimat-Konzepte. Identität definiert sich hier weit weniger über Abgrenzung wie in den Nullerjahren, sondern über Bezüge auf ‚das Eigene’ – in Reflexion der eigenen Jugend (u. a. Trettmann, Aaron Scotch) und/oder durch die erfrischend hedonistische Dekonstruktion von Stereotypen (u. a. Kraftklub „Karl-Marx-Stadt“).

Erinnerung, NewDef

Stichworte:

Kindheit und Erinnerung, ostdeutsche Erfahrungsräume, Herkunft & Identität, 1990er Jahre, Plattenbauten, Prekarität, Rap

Mit K, Vertigo

Stichworte:

Jugend, ostdeutsche Erfahrungsräume (Chemnitz), Herkunft & Identität, Stereotype, Ironie, Lebensgefühl & fun, Authentizität, Indie (Rock)

 

Siehe auch: „Loser aus dem Osten“, Süddeutsche Zeitung, 2012

Mit K, Vertigo

Stichworte:
Abwanderung, Provinz, Berlin, urbaner Lebensstil, Beitrag zum "Bundesvision Song Contest" (2012), Ironie, Indie (Rock)


Kraftklub 2014 © Florian Koppe; CC BY-SA 3.0
Kraftklub 2014 © Florian Koppe; CC BY-SA 3.0

Die Fälschung der Welt, ZickZack/Major Label

Stichworte:

Identität & Vergangenheit, politische Utopien, gebrochenes Freiheitsnarrativ („Wir sind so frei, dass wir fallen“), Vergegenwärtigung von Geschichte (1989), Elektropop

Harmonie Hurensohn 2, Johnny war ein Tänzer

Stichworte:

autobiographische Erzählung traumatischer Kindheitserfahrungen (Verhaftung der Eltern in der DDR, Leben bei der Großmutter, Unwissen, Freikauf der Eltern und Familienzusammenführung drei Jahre später), Reflexion der Erfahrungen, Schuldfragen, Herkunft & Identität, Rap

 

Siehe auch Interview: "Kunst und Kopfkrieg", Vice, 2018


„Chanson des Monats“, SWR2

 


Stichworte:

Mauerfall, Verlusterzählung aus westdeutscher Perspektive, Lebenswelt und historischer Wandel in Ost und West, vergangene Zukünfte („Wir waren vom Moment besoffen und dachten, der Ausgang wär’ noch offen“), Ironie, Chanson/Liedermacher

Zum Glück in die Zukunft II, Four Music

 


Stichworte:

Herkunft & Identität, Rostock, Weggehen und Heimkehren, urbane Stadtgesellschaft und Vielfalt, Beitrag zum "Bundesvision Song Contest", Pop

[Single]/Bleiben oder Gehen, Audiolith

Stichworte:

Kindheit, Freundschaft & Natur, Herkunft, Weggehen und Bleiben als Grundsatzfrage, Provinz, Zukünfte, Punk

 

Siehe auch: „Wie klingt linke Heimatmusik?“, Die Zeit, 2018 [Paywall]


Zugezogen Maskulin 2016 © Politikwerft Designagentur; CC BY-SA 2.0
Zugezogen Maskulin 2016 © Politikwerft Designagentur; CC BY-SA 2.0

Alles brennt, Buback

Stichworte:
Jugend in der ostdeutschen Provinz, Tristesse, Perspektivlosigkeit, räumliche und geistige Enge, Zukünfte, Rap

 

Siehe auch: „Der Mauerfall - mit Zugezogen Maskulin“, Machiavelli/WDR, 2019


Mit Schinken durch die Menopause, Phantom Records

Stichworte:

1989 als "Konsumrevolution", Konsumkritik, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Punk 

 

Siehe auch: „Pisse“, OX-Fanzine, 2015

 

Mo[nu]ment, D.O.R.

 

Stichworte: ostdeutsche Identität und Herkunft, Repräsentation und Sichtbarkeit, ostdeutsch-arbeiterliche Männlichkeit, Beschwörung männlicher Kraft und Dominanz, (Wieder-)Aneignung Trabi, Rock

 

Siehe auch: „Der neue Deutschrock‘ – Fischen diese Bands am rechten Rand?“, Schweriner Volkszeitung, 2020 und „Pascal Bocki‘ Bock kämpft an der Goitzsche Front“, MDR, 2021


Alle gegen Alle, Four Music

 
Stichworte:
deutsch-deutsche Geschichte, Nationalsozialismus und Krieg als Voraussetzung der deutschen Teilung, Unmöglichkeit von Heimat, Herkunft und Prägung, (auto-)biographische Perspektive, Kontinuität von Gewalt in Ost und West, Rap

 

Alle gegen Alle, Four Music

 

Stichworte:
(Nach-)Wendezeit, Gewalt, Arbeitslosigkeit und Prekarität, Freundschaft und Entfremdung, Gehen und Bleiben, Dynamisierung von Zeit, politische Polarisierung im Osten, AfD-Wahlerfolge, Rap

 


Copyshop, Vertigo

Stichworte:

Mauerfall, Jugend in 1990er Jahren, Ost-Berlin, Jugendsubkulturen, Konsum, neonazistische Gewalt, Drogen, Freiheit und neue Grenzen, (auto-)biographische Perspektive, Ambivalenzerzählung, Rap

 

Siehe auch: „ʼʻWenn ich umkippe, dann kippe ich eben umʼ“, Zeit Online, 2018

Mortem & Makeup, Buback

 

Stichworte:

Ausgrenzungserfahrung, Pubertät, (auto)biographische Perspektive, Emanzipationserzählung, Rap 

 

Siehe auch: Sookee über ost-westdeutsche Migrationserfahrung bei "Germania Ost" (Youtube)


Romano 2018 © Sven Volkens, sven.volkens@wikipedia.de; CC BY-SA 4.0
Romano 2018 © Sven Volkens, sven.volkens@wikipedia.de; CC BY-SA 4.0

#DIY, SoulForce Records

 


Stichworte:
Erinnerung, (Nach-)Wendezeit, 1990er Jahre, Plattenbauten, Herkunft & Identität, Jugend und Hip Hop-Kultur in der DDR, Freiheit und ihre Grenzen, Prekarität, ostdeutsche Erfahrungsräume (Chemnitz), (auto-)biografische Perspektive, Entfremdung, Zukunftslosigkeit, Verlusterzählung, Rap

 

Siehe auch: „Da lebt noch was im Beton“, FAZ, 2017

Ich vs. Wir, Grand Hotel Van Cleef

Stichworte:

1989, Fluchtbewegung von DDR-Bürgern über Ungarn nach Österreich, Fluchthilfe, Kritik an deutscher Einheit der westdeutschen Linken, Hamburg, Aktualisierung von 1989 als Erzählung von Flucht und Fluchthilfe im Kontext der verstärkten Fluchtmigration seit 2015, Indie

 

Siehe auch: „Band Kettcar besingt ʼSommer '89ʼ“, MDR, 2018

s/t, Destiny

Stichworte:

Weltläufigkeit & Ortsverbundenheit, ostdeutsche Erfahrungsräume, Selbstbehauptung, Provinz & Randbezirke, Pop


Schleifen, Latenz

 

Stichworte:

Coverversion, Neuinterpretation von Sandows „Born in the GDR“, not born in the GDR, Nachwendegeneration, Post Punk, New Wave

Mixtape #1, 2018, self-published

 

Stichworte: Aufwachsen und Kindheit in der DDR, DDR-Prägung, Wendekinder, kritischer Rückblick, Ambivalenz zwischen Verstrickung und Vorbild, Hip Hop

 

Siehe auch: „Feministischer Hip-Hop von Stasisöhnen“, Tagesspiegel, 2019

Ostberlin Androgyn etwa 2021 © Bastian Bochinski / Audiolith
Ostberlin Androgyn etwa 2021 © Bastian Bochinski / Audiolith

s/t, Universal

Stichworte:
deutsche Geschichte, Geschichtsbilder und -mythen, Identitätskonstruktionen, Kontinuität von Gewalt, Ironie, Rock

 

Siehe auch: „Ein lauter Schrei nach Liebe“, Zeit Online, 2019

[Single]

Stichworte:
Heimat, Herkunft & Identität, Bautzen, gesellschaftliche Spaltung, politische Polarisierung, Entfremdung, Aktualität/politischer Bezug, Pop

Kiox, Eklat Tonträger

Stichworte:

Erfahrungen in DDR- und Nachwendezeit, 1990er Jahre, ostdeutsche Erfahrungsräume (Chemnitz), Gewalt, Rechtsradikalismus, Reflexion, Ambivalenzerzählung, Rap 

 

Siehe auch: „ʻVerständnis bringt gar nichts“, Der Spiegel, 2019


Max Herre 2014 © Sebastian Wesemann; CC BY-SA 4.0
Max Herre 2014 © Sebastian Wesemann; CC BY-SA 4.0

Athen, Vertigo

Stichworte:
Ungewissheit, Ängste, Hommage an "Nacht" von Veronika Fischer und Panta Rhei (1972), Ost-West-Kooperation, Rap  

 

Veronika Fischer 2011 © Paulae; CC BY 3.0
Veronika Fischer 2011 © Paulae; CC BY 3.0

[Single]

 

Stichworte:
„Europäische Migrationskrise“ seit 2015, Aktualisierung der deutschen Geschichte als Migrationsgeschichte, Mauerbau & Mauerfall, 1989 als Freiheitserzählung, Singer/Songwriter

das leben ist trash, self-published

Stichworte:
Stereotype: Selbstbilder und Schuldzuweisungen als Kern von Ostalgie, ostdeutsche Erfahrungs- und Diskursräume, Ironie, Elektro Punk

 

Siehe auch: „Wie drei Fun-Punks zu Staatsfeinden wurden“, Spex, 2020

[Single], self-published

Stichworte:

Mauerfall, Erfolgserzählung („Ost oder West (...) das ist doch völlig egal. Wir sind doch alles Sieger“), autobiographische Erzählung, Pop

 


Candlelight Spektakel, Electrola

Stichworte:

Rückblick auf DDR, (auto-)biografischer Rückblick, „normales Leben“, „bescheidener Stolz“, Vertrautheits- & Ambivalenzerzählung, Herkunft & Identität, ostdeutscher Erfahrungsraum, Pop

[Single]

 

Stichworte:
deutsche Teilung, Mauerfall,

9. November 1989, Freiheit, Wiedervereinigung als Erfolgsgeschichte, (post-)migrantische 

Perspektive, Jubiläum, Auftragsarbeit  

(Bundeszentrale für politische Bildung), Hip Hop

Eko Fresh 2015, © Lipstar & Frederic Lippe; CC BY-SA 2.5
Eko Fresh 2015, © Lipstar & Frederic Lippe; CC BY-SA 2.5

Kiox, Eklat Tonträger

Stichworte:

Chemnitz, Abgestoßen- und Verbunden-Sein, Herkunft & Gegenwart, Untergangsstimmung, Durchhaltewillen/-zwang, soziale & materielle Prekarität, Kontinuitäten von Rechtsradikalismus, Innenansicht vs. Verurteilung von außen, Rap



"89 goes Pop" ist Teil des BMBF-Verbundprojekt "Das umstrittene Erbe von 1989"

Weitere Informationen unter www.erbe89.de