Beim persönlichen wie öffentlichen Erinnern an 1989/90 gerät aus deutscher Perspektive schnell aus dem Blick, dass der Staatssozialismus nicht nur in Deutschland zu einem Ende kam. Vielmehr beeinflussten sich die verschiedenen Entwicklungsprozesse im Ostblock gegenseitig, wenn sie nicht gar weiter zurücklagen (Stichwort Solidarność in Polen). Ein Blick auf die literarischen Perspektiven der Umbruchsereignisse in anderen Ländern vermittelt lohnenswerte Eindrücke von Unterschieden aber auch Verflechtungen mit den Ereignissen in der DDR und Deutschland.
Parallel entstand mit dem Zerfall des blockfreien Jugoslawiens ein Grundstein für neue Kriege und damit erzwungene Migrationsgeschichten, die auch in die „neue“ Bundesrepublik führen. Neben der Entstehung neuer Konfliktlinien und Grenzen ergaben sich mit dem Ende des alten Blockgegensatzes auch neue globale Reise- und Austauschmöglichkeiten, die auch die Protagonist*innen in den Romanen nutzen und beschäftigen und die sie mit verschiedenen Ländern, aber immer auch mit ihrer eigenen Geschichte im 20. Jahrhundert in Verbindung bringen.
Sasha Marianna Salzmann: Im Menschen muss alles herrlich sein
Suhrkamp: Berlin, 2021
Rezension "Wenn das bessere Leben ein Traum bleibt" im Deutschlandfunk vom 13.9.2021
Rezension "Im Menschen muss alles herrlich sein" vom SWR Kultur vom 10.9.2021
Passt auch in die Kategorien Familiengeschichten oder (Post-)Migrantische, BPoc & jüdische Perspektiven.
Lena Gorelik: Wer wir sind
Rowohlt Taschenbuch: Hamburg, 2022
Rezension "Ein Glasschränkchen als Schrein" bei Deutschlandfunk Kultur vom 1.7.2021
Passt auch in die Kategorien Familiengeschichten oder (Post-)Migrantische, BPoc & jüdische Perspektiven.
»Wie die Erinnerung manchmal das Jetzt übertönt. Wie sie sich über alles legt, wie ein Dickicht aus Verletzungen, Mustern und Fragen. Wie ich nicht mehr weiß, wer ich wurde und wann. Und ich dennoch beginne zu erzählen. Und mich erinnere, an diesen Satz, ‹Я ist der letzte Buchstabe im Alphabet›, wie ich mich erinnere, leise, an alles.«
Lena Gorelik: Wer wir sind, S. 10
Marzena Sowa: Marzi. Eine Kindheit in Polen. Band 2, 1989
Zeichnungen: Sylvain Savoia
Panini: Stuttgart, 2012
Besprechung der Graphic Novel bei FM4, Jugendkulturradio des Österreichischen Rundfunks, vom 8.9.2012
Saša Stanišić: Herkunft
Luchterhand: München, 2019
Rezension "Die
Deutschen überholen" in der Zeit vom 13.3.2019
»In Bosnien hat es geschossen am 24. August 1992, in Heidelberg hat es geregnet. Es hätte ebenso gut Osloer Regen sein können. Jedes Zuhause ist ein zufälliges: Dort wirst du geboren, hierhin vertrieben, da drüben vermachst du deine Niere der Wissenschaft. Glück hat, wer den Zufall beeinflussen kann. Wer sein Zuhause nicht verlässt, weil er muss, sondern weil er will.«
Saša Stanišić: Herkunft, S. 123
Tijan Sila: Tierchen unlimited
Kiepenheuer & Witsch: Köln, 2017
Rezension "Diese Erregung, immer diese Erregung" im Spiegel
vom 1.3.2017
Passt auch in die Kategorien Coming of Age und Provinz.
N. Vermej: Berlin liegt im Osten, B. Weyhe: Madgermanes, A. R. Strubel: Blaue Frau
Ken Follett: Kinder der Freiheit
Bastei Lübbe: Köln, 2014
Verlagstext und Rezensionsnotiz bei Perlentaucher
Nadine Schneider: Drei Kilometer
Jung und Jung: Salzburg, 2019
Der Verlagstext und Rezensionen bei Perlentaucher
Besprechung des Romans im Deutschlandfunk vom 29.8.2019
Passt auch in die Kategorien Perspektiven aus & auf Provinz und Coming of Age.
»Ohne ein Wort zu sagen, ohne einen Brief zu hinterlassen, war er einfach verschwunden. Trotzdem konnte man ihm nichts vorwerfen. Man konnte niemandem vorwerfen, dass er frei sein wollte. Und so war es mit allen, die fortgingen, sie waren nicht verantwortlich für die Leere, die nach ihrem Verschwinden die Häuser besetzte. Sie konnten nichts für das Gefühl gemachter Betten am Morgen, denn sie waren ja weg und hatten nicht die Absicht, etwas dazulassen.«
Nadine Schneider: Drei Kilometer, S. 15
Markéta Pilátová: Wir müssen uns irgendwie ähnlich sein
Residenz: Salzburg, 2010
Rezension "Fakultät für richtiges Leben" in der FAZ vom 2.7.2010
Paul Beatty: Slumberland
Blumenbar Verlag: München, 2009
Der Verlagstext und Rezensionen bei Perlentaucher
Passt auch in die Kategorie (Post-)Migrantische, BPoC & jüdische Perspektiven.
»Wie Joseph Conrads Belgisch-Kongo war Deutschland in der Zeit gleich nach der Wiedervereinigung ein Land, in dem das Lichte dunkel und das Dunkle noch dunkler war.
[...] In einem geheimen Versuch, die Denkprozesse gleichzuschalten, erließ die Regierung eine Rechtschreibreform. Ein Land, das nach denselben Regeln buchstabiert, hält zusammen, und dass gleichzeitig mit dem langsamen Verschwinden des ß auch die Sozialhilfe und ein paar Unglückliche mit der falschen Hautfarbe dran glauben mussten, kann kein Zufall gewesen sein.«
Paul Beatty: Slumberland, S. 180f.
Susanne Gregor: Das letzte rote Jahr
Frankfurter Verlagsanstalt: Frankfurt am Main, 2019
Der Verlagstext und Rezensionen bei Perlentaucher
Passt auch in die Kategorie Coming of Age.
»Waren meine Eltern schlafen gegangen, schaltete ich von einem Satellitenkanal zum nächsten, und die Welt erschien mir
plötzlich surreal: zwischen den immer wieder gezeigten Bildern der Berliner, die mit Hämmern auf die Mauer einschlugen und weinend darüberkletterten, über die moderne Tupperware in Neonfarben auf
dem Werbekanal bis zu den paillettenbesetzte Schwimmanzüge tragenden, androgynen Erasure auf dem Musiksender. Nichts davon hätte man sich noch vor ein paar Monaten denken können, alles hatte den
Hauch einer spontanen, wilden Party, bei der man nie wusste, wann es zu laut würde und Licht und Ton plötzlich abgedreht werden würden.«
Susanne Gregor: Das letzte rote Jahr, S. 217
Dana Grigorcea: Die nicht sterben
Penguin: München, 2021
Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Die Autorin im Gespräch über ihren Roman im Deutschlandfunk Kultur
Vorujan Vosganian: Das Spiel der hundert Blätter
Paul Zsolnay Verlag: Wien, 2016
Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Besprechung im Deutschlandfunk vom 30.12.2016
Saša Stanišić: Wie der Soldat das Grammofon repariert
Luchterhand: München, 2006
Rezension der Deutschen Welle vom 7.10.2018
Passt auch in die Kategorie Coming of Age.
Vladimir Zarev: Verfall
Kiepenheuer & Witsch: Köln, 2006 (Originalausgabe 2003)
Besprechung im Deutschlandfunk Kultur vom 23.4.2007
Passt auch in die Kategorie Wendebrüche.
»Die normalen Leute um mich herum aber veränderten sich nicht nur, nein, sie verwandelten sich: in Unbekannte. Einige betranken sich vor Melancholie oder verwahrlosten, andere verschwanden im Kampf ums Überleben, als hätten sie sich in einem Kokon eingesponnen. Wieder andere liebedienerten vor denen, die gerade an der Macht waren, als hätte der Sozialismus nie geendet. Dritte, die der einstmaligen Sicherheit nachtrauerten, wie einem entführten Kind, jammerten und klagten pausenlos. Vierte drehten einfach durch.«
Vladimir Zarev: Verfall, S. 21f.
Jonathan Franzen: Unschuld
Rowohlt: Reinbeck, 2015
Rezension "Der Unrat der Germanen" im Spiegel vom
31.8.2015
Nino Haratischwili: Das achte Leben (für Brilka)
Frankfurter Verlagsanstalt: Frankfurt, 2014
Der Verlagstext und Rezensionen bei Perlentaucher
Passt auch in die Kategorie Familiengeschichten.