Seit den 2000er Jahren erscheinen in bemerkenswerter Zahl Romane und Texte von Autor*innen, die von der Wende- und Nachwendezeit aus der Perspektive von Jugendlichen erzählen. Im Genre des Coming of Age, vielfach autobiographisch geprägt, verbinden die Texte hier generelle Themen des Erwachsenwerdens (erste Liebe, Konflikte zwischen den Generationen und mit Autoritäten, Erfahrungen mit Grenzüberschreitungen jeder Art) mit den gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen der Wendezeit.
Dieser Blick ‚von unten’ eröffnet neue Perspektiven auf den Umbruch: das Plötzliche, Unabsehbare und die Rasanz der Ereignisse werden ebenso sichtbar wie das Erwachsenwerden in jenem „fabelhaften Jahr der Anarchie“ (André Kubiczek). Während Eltern, Lehrer*innen und andere Bezugspersonen genug mit sich selbst zu tun hatten, erlebte die „Generation der Unberatenen“ (Bernd Lindner) im Chaos des Umbruchs das enge Nebeneinander von neuen Freiheiten und neuen Verlusten. Wut und Neugier, Überforderung und Rebellion, Ohnmacht und Gewalt stehen dicht beisammen. Damit erzählen die Texte auch von der Zerrissenheit jener Zeit, die bis heute nachwirkt. Davon, wie sich ehemalige Klassenkameraden plötzlich mit Baseballschlägern gegenüberstanden, wie sich Freund*innen das Hirn mit Drogen wegballerten oder wie sie einfach verschwanden.
Johannes Herwig: Scherbenhelden
Gerstenberg: Hildesheim, 2020
Rezension "Saufen, klauen, prügeln – und der ganze andere Scheiß" bei Deutschlandfunk Kultur vom 17.7.2020
Passt auch in die Kategorien Familiengeschichten und Wendebrüche.
Domenico Müllensiefen: Aus unseren Feuern
Kanon Verlag: Berlin, 2022
Rezension "Aus unseren Feuern: Ein Roman aus der Welt außerhalb der deutschen Wohlfühlblase" in der Leipziger Zeitung vom 23.3.2022
Passt auch in die Kategorie Wendebrüche.
Manja Präkels: Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß
Verbrecher Verlag: Berlin, 2017
Manja Präkels beim Podcast "Durch die Gegend mit" (Viertausendhertz)
Der Verlagstext und eine Rezensionsnotiz bei Perlentaucher
Der Roman diente auch als Vorlage für eine Bühnenfassung am theater junge generation Dresden (R: Nils Zapfe), Uraufführung 2020.
Passt auch in die Kategorien Provinz und Wendebrüche.
»Alles ist wahr. Nichts stimmt. Ich habe den Zusammenbruch der DDR, ebenso wie meine Protagonistin Mimi, im zarten Alter von 15 erlebt. Pubertät und Systemausfall [...] fielen in eins. [...] Vor allem in meiner Zeit als Lokaljournalistin 1994–1998 habe ich vieles beobachtet, erlebt und gehört, dass letztlich als geronnene Erfahrung in den Roman eingeflossen ist. Mein Augenmerk liegt auf der sozialen Katastrophe, die mit dem Zusammenbruch des Staatskommunismus einherging, den unmittelbaren Auswirkungen auf Körper und Köpfe derer, die nicht mehr Kind und noch nicht erwachsen waren.«
Manja Präkels in einem Interview (2018) bei novelero.de
Jakob Hein: Kaltes Wasser
Galiani: Berlin, 2016
Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Passt auch in die Kategorie Wendebrüche.
Andrea Hanna Hünniger:
Das Paradies. Meine Jugend nach der Mauer
Tropen: Stuttgart, 2011
Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Jana Hensel: Zonenkinder
Rowohlt: Reinbeck, 2002
Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Passt auch in die Kategorie Wendebrüche.
»Heute, mehr als zehn Jahre später und nach unserem zweiten halben Leben, ist unser erstes lange her, und wir erinnern uns, selbst wenn wir uns anstrengen, nur noch an wenig. Ganz so, wie unser ganzes Land es sich gewünscht hatte, ist nichts übrig geblieben von unserer Kindheit, und auf einmal, wo wir erwachsen sind und es beinahe zu spät scheint, bemerke ich all die verlorenen Erinnerungen. Mich ängstigt, den Boden unter meinen Füßen nur wenig zu kennen, selten nach hinten und stets nur nach vorn geschaut zu haben. Ich möchte wieder wissen, wo wir herkommen, und so werde ich mich auf die Suche nach den verlorenen Erinnerungen und unerkannten Erfahrungen machen, auch wenn ich fürchte, den Weg zurück nicht mehr zu finden.«
Jana Hensel: Zonenkinder, S. 14
Sascha Lange: DJ Westradio
Aufbau: Berlin, 2007
Rezension "Die DDR war nur mit West-Mucke auszuhalten" u.a. über Sascha Langes Buch in der Welt vom 12.8.2007
Clemens Meyer: Als wir träumten
Fischer: Frankfurt a.M., 2006
Rezension "Unter Straßenkötern" auf literaturkritik.de
Eine "autobiografische Stadtrundfahrt durch Leipzig in 65 Schnappschüssen" mit dem Autor bei MDR Kultur
Trailer zur gleichnamigen Verfilmung (R: Andreas Dresen) von 2015
Passt auch in die Kategorie Wendebrüche.
»Es gibt keine Nacht, in der ich nicht von alldem träume, und jeden Tag tanzen die Erinnerungen in meinem Kopf, und ich
quäle mich mit der Frage, warum das alles so gekommen ist. Sicher, wir hatten eine Menge Spaß damals, und doch war bei dem, was wir taten, eine Art Verlorenheit in uns, die ich schwer erklären
kann.«
Clemens Meyer: Als wir träumten, S. 14
Julia Schoch: Schöne Seelen und Komplizen
Piper: München, 2018
Rezension "Zwischen dem, was sein müsste, und dem, was ist" auf literaturkritik.de
Passt auch in die Kategorie Wendebrüche.
Susanne Leinemann: Aufgewacht. Mauer weg
DVA: München, 2002
Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Passt auch in die Kategorie West-Ost/Ost-West.
»Ich will mich erinnern und zurückgehen in die 80er Jahre, als die DDR für uns junge
Westdeutsche unendlich weit weg lag und eine Entdeckung des zweiten Deutschlands aufregend wie eine Safari sein konnte. Als die Bundesrepublik für junge Ostdeutsche unerreichbar blieb, aber im
Alltag immer präsent war. Zu den Tagen des Novembers 1989, in denen wir gemeinsam jubelnd und feiernd auf der Mauer tanzten. Und zur Enttäuschung danach.«
Susanne Leinemann: Aufgewacht. Mauer weg, S. 11
Jochen Schmidt: Schneckenmühle
Beck: München, 2013
Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Interview mit dem Autor "Das Ende von der Kindheit ist einer der radikalsten Brüche" im Deutschlandfunk vom 5.6.2013
Hendrik Bolz: Nullerjahre. Jugend in blühenden Landschaften
Kiepenheuer & Witsch: München, 2022
Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Der Autor im Gespräch zu seinem Buch "Nichts Schönes gab es hier", Tagesspiegel
vom 15.2.2022
Peter Richter: 89/90
Luchterhand: München, 2015
Rezension "Wende im Tal der Ahnungslosen" auf literaturkritik.de
Das Buch diente als Vorlage für eine Theaterinszenierung unter der Regie von Claudia Bauer, die 2016 am Schauspiel Leipzig Premiere feierte.
Passt auch in die Kategorie Herbst der Entscheidung.
»Als [...] die Sonne zum letzten Mal unterging über dem ersten Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden, dem kleinen Scheißland, das aber irgendwie dann doch das unsere war, bezogen wir unsere Posten, deponierten die Munition und hielten uns bereit.«
Peter Richter: 89/90, S. 404
Marcel Raabe: Westen Werden
Connewitzer Verlagsbuchhandlung: Leipzig, 2020
Vorstellung und Auszüge aus dem Buch im Podcast "Projekt Umbruch" vom 29.10.2020
Sabine Rennefanz: Eisenkinder. Die stille Wut der Wendegeneration
Luchterhand: München, 2013
Rezension "Die Verwirrungen der Talente-Schülerin Rennefanz" auf literaturkritik.de
Ein Interview mit der Autorin in der FAZ vom 12.3.2013
Passt auch in die Kategorie Wendebrüche.
»Nicht nur die anderen, die sich den Schädel rasierten und die Deutschlandkarte in den Grenzen von 1939 aufhängten,
waren empfänglich für einfache Wahrheiten. Auch ich sehnte mich nach Übersichtlichkeit, nach Einfachheit, nach einer Heimat. Ich hätte wahrscheinlich Islamistin, Scientologin oder vielleicht,
unter besonderen Umständen, Neonazi werden können. Es war nur eine Frage, wer mich zuerst ansprach.«
Sabine Rennefanz: Eisenkinder, S. 121
Björn Stephan: Nur vom Weltraum aus ist die Erde blau
Galiani/Kiepenheuer & Witsch: Köln, 2021
Rezension "Wie überlebt man
Schwerin?" in der SZ vom 10.3.2021
Claudia Rusch: Meine freie deutsche Jugend
Fischer: Frankfurt a.M., 2003
Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Kathrin Aehnlich: Alle sterben, auch die Löffelstöre
Arche: Zürich, 2017
Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
A. Kubiczek: Das fabelhafte Jahr der Anarchie, O. G. Wachlin: Grenzwärts, L. Rietzschel: Mit der Faust in die Welt schlagen, D. Krien : Irgendwann werden wir uns alles erzählen, J. Bisky: Geboren am 13. August, J. Zander: Johnny Ohneland, T. Sila: Tierchen unlimited, R. Ide: Geteilte Träume, A. Osang: Fast hell, M. Brasch: Ab jetzt ist Ruhe, A. Platthaus: Freispiel, S. Gregor: Das letzte rote Jahr
Sascha Lange: Das wird mein Jahr
Aufbau: Berlin, 2011
Eine Zusammenfassung und kurze Besprechung auf nahaufnahmen.ch
Roy Schneider & Connie Mareth (Hg.):
Haare auf Krawall. Jugendsubkultur in Leipzig 1980 bis 1991
Connewitzer Verlagsbuchhandlung: Leipzig, 1999
Bearbeitete und erweiterte Neuauflage bei Backroad Diaries: Fuchshain, 2020
Rezension "‚Negativ dekadent‘ in Leipzig –
Punk und unangepasste Jugend in der DDR" in der MOZ vom 7.12.2020
»Monatelang standen wir unten am Rathaus, merken, daß sich immer mehr Leute von uns von dieser großen [Montags-, die Red.] Demo
distanzierten. Das geschah einfach aus Angst, und ich nehme mich da gar nicht aus, denn dieser ganze Pulk war eben auch ganz schön bedrohlich. Am Tag als Helmut Kohl in Leipzig war, sind Leute
auf uns losgegangen, die eigentlich unsere Väter hätten sein können.«
Roy Schneider / Connie Mareth: Haare auf Krawall, S. 223
Ira Wedel:
Tine Eisenbeisser
Jacoby & Stuart: Berlin, 2009
Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Matthias Jügler: Die Verlassenen
Penguin: München, 2021
Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Mawil: Kinderland
Reprodukt: Berlin, 2014
Rezension "Showdown an der Tischtennisplatte" im Deutschlandfunk Kultur vom 1.10.2014
Jana Simon: Denn wir sind anders. Die Geschichte des Felix S.
Rowohlt: Berlin, 2002
Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Passt auch in die Kategorien Wendebrüche und (Post)migrantische, BPoC & jüdische Perspektiven.
»In den ersten zwei, drei
Jahren nach dem Mauerfall zerbrachen fast alle alten Freundschaften. Auch ihre Freundschaft zu Felix ging damals zu Ende. Es war, als sei nicht nur das Land untergegangen, sondern mit ihm auch
untrennbar gehaltene Beziehungen. Es war, als bemerkte man das erste Mal seine Unterschiedlichkeit.«
Jana Simon: Denn wir sind anders, S. 51
Gregor Sander: Alles richtig gemacht
Penguin: München, 2019
Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Rezension "Rotzige DDR-Reste" im Deutschlandfunk vom 18.9.2019
Claudia Bierschenk: Land ohne Verben
edition überland: Leipzig, 2020
Rezension in der Leipziger Zeitung (LZ) vom 4.2.2021
Wolfgang Herrndorf: Tschick
Rowohlt Berlin: Berlin, 2010
Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Vorstellung von Autor und Werk im NDR Info Zeitzeichen vom 26.8.2018
Der Roman wurde als Hörbuch und Hörspiel adaptiert. Auch die Theaterfassung war mit 29 unterschiedlichen Inszenierungen (Stand 2014) ein Publikumserfolg. 2016 folgte die Verfilmung unter der Regie von Fatih Akin.
Lorenz Just: Am Rand der Dächer
Dumont: Köln, 2020
Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Christian Bangel: Oder Florida
Piper: München, 2017
Rezension "Mehr Erinnerungsreportage als Roman" im Deutschlandfunk vom 20.2.2018