Familiengeschichten


Erwartungen. Vorstellungen. Träume. Frühjahr 1990 in Leipzig. Foto: Maria Notbohm
Erwartungen. Vorstellungen. Träume. Frühjahr 1990 in Leipzig. Foto: Maria Notbohm

Werke aus dem Genre der Familien- oder auch Generationenromane scheinen besonders geeignet, um in längeren Linien Geschichten des 20. Jahrhunderts und auch der Wendezeit zu erzählen. 1989/90 ist dabei manchmal Ausgangspunkt, manchmal Fluchtpunkt der Erzählung. Zentrale Fragen sind der Umgang mit dem Erbe des Nationalsozialismus, die mit der Gründung der DDR verbundenen Hoffnungen auf ein besseres, gerechteres Land, das Scheitern dieser Utopie zuerst im Stalinismus und dann im realexistierenden Sozialismus. Es geht um die Frage nach dem „richtigen“ Leben im „falschen“ und darum, was die verschieden Vergangenheiten mit den „Hineingeborenen“ (Uwe Kolbe), den um 1960 Geborenen, und wiederum mit ihren Kindern und Enkelkindern zu tun haben. 

 

Zum Teil sind die Texte aus der Perspektive einer Person erzählt, zum Teil eröffnet ein Chor verschiedener Erzählstimmen unterschiedliche Perspektiven auf und aus der jeweiligen Zeit. Entlang einzelner Schicksale dringen die Texte tief ins 20. Jahrhundert ein und erzählen von Hoffnungen und Enttäuschungen, Träumen und Illusionen, Niederlagen und Neuanfängen sowie von den, immer auch die Nachgeborenen prägenden, Widersprüchen in ihrer jeweiligen Zeit.


Maxim Leo: Haltet euer Herz bereit. Eine ostdeutsche Familiengeschichte

Blessing: München, 2009

 

Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher

Marion Brasch: Ab jetzt ist Ruhe. Roman meiner fabelhaften Familie

Fischer: Köln, 2012

 

Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher

 

Passt auch in die Kategorien Weibliche Perspektiven und Coming of Age.

Robert Ide: Geteilte Träume. Meine Eltern, die Wende und ich

Luchterhand: München, 2007

 

Rezension "Ostdeutscher Generationsbruch" im Deutschlandfunk Kultur vom 28.5.2007

 

Passt auch in die Kategorien Coming of Age und Wendebrüche.

»Wie soll man den eigenen Eltern sein neues Leben erklären? [...] Vielleicht ist es gar nicht so einfach, wie immer alle sagen: Mauer in den Köpfen, Ossis und Wessis. Eine ebenso strenge Trennung verläuft zwischen Ost und Ost. Denn während die einen längst auf der anderen Seite leben, wirken die anderen alt im neuen Deutschland. Meist ist das eine Generationenfrage. Mein Vater geht nicht wählen in der Demokratie, die wir gemeinsam herbeigesehnt haben. Meine Mutter verkauft keine Träume mehr. Die Verluste werden nicht besprochen, wenn wir uns sonntags im Kleingarten beim Kirschkuchen treffen. Wir sind auf unterschiedliche Weise in der neuen Zeit angekommen, aber darüber reden wir nicht.«

Robert Ide: Geteilte Träume, S. 15f.


Lutz Seiler: Stern 111

Suhrkamp: Berlin, 2020

 

Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher

 

Rezension "Berliner Freiheit" in der SZ vom 2.3.2020


R. Scheer: Machandel, K. Kalisa: Sungs Laden, Y. Kara: Selam Berlin, D. Kapitelman: Eine Formalie in Kiew, A. Herzberg: Alle Nähe fern, N. Haratischwili: Das achte Leben, E. Loest: Nikolaikirche, L. Rietzschel: Raumfahrer


Paula Fürstenberg: Familie der geflügelten Tiger

Kiepenheuer & Witsch: Köln, 2016

 

Rezension "Vergangen, nicht verschwunden" in der Zeit vom 22.9.2016

 

Passt auch in die Kategorie Weibliche Perspektiven.

»Ich riss meinen Blick vom Telefon los und sah auf die Postkarte, die darüber an der Wand hing. Ich suchte nach der mit dem Kamel in der Wüstenlandschaft drauf, die dort zwischen den vielen anderen hing. Jens hatte sie meiner Mutter ein halbes Jahr nach seinem Verschwinden geschickt, laut Poststempel am 3. oder 8. April 1990, das war schwer zu erkennen. Ich wusste auswendig, was auf der Rückseite stand, trotzdem pulte ich die Reißzwecke heraus und nahm die Postkarte von der Wand. An der Stelle, wo sie gehangen hatte, war die Rauhfastertapete etwas heller. Ich las die krakeligen Zeilen: Liebe Astrid, stand da, in Berlin gibt es mehr streunende Hunde als Menschen, das solltest du dir mal anschauen. Grüße, Jens. Er hatte weder eine Adresse noch eine Telefonnummer dazugeschrieben, so wie er jetzt auch keine Rückrufnummer auf dem Band hinterlassen hatte.«

Paula Fürstenberg: Familie der geflügelten Tiger, S. 16


Patrick Hofmann: Die letzte Sau

Schöffling: Frankfurt a.M., 2009

 

Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher

 

Passt auch in die Kategorien Provinz und Wendebrüche.

Johannes Nichelmann: Nachwendekinder.

Die DDR, unsere Eltern und das große Schweigen.

Ullstein: Berlin, 2019

 

Vorstellung von Autor und Werk in "Die blinden Flecken in ostdeutschen Familien" im Spiegel vom 3.9.2019

 

 

Rezension "Warst du bei der Stasi, Papa?" im fluter vom 7.11.2019

 

Passt auch in die Kategorie Coming of Age.

»Insgesamt habe ich das Gefühl, dass die DDR entweder ein vierzig Jahr lang andauernder Sommerausflug an den See oder ein niemals enden wollender Aufenthalt im Stasi-Knast war. Es kommt immer darauf an, wen man fragt. [...] Ich bin in einem Land geboren, das ich nie bewusst gesehen habe. Mein Impfausweis und meine Geburtsurkunde sind für mich die einzigen greifbaren Belege dafür, dass ich nicht in dem Staat geboren wurde, in dem ich aufgewachsen bin. Die DDR und ich – wir sind irgendwie miteinander verbunden, wobei ich nicht genau verstehe, wie und warum.« 

 

Johannes Nichelmann: Nachwendekinder, S. 8


Kathrin Schmidt: Koenigs Kinder

Kiepenheuer & Witsch: Köln, 2002

 

Rezension "Auf der Suche nach der verlorenen Kindheit" auf literaturkritik.de

 

Eugen Ruge: In Zeiten des abnehmenden Lichts

Rowohlt: Reinbeck b. Hamburg, 2011

 

Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher

 

Der Roman diente auch als Vorlage für den 2017 erschienenen, gleichnamigen Film (R: Matti Geschonneck).

 

Passt auch in die Kategorie Wendebrüche.

Uwe Tellkamp: Der Turm. Geschichte aus einem versunkenen Land

Suhrkamp: Frankfurt a.M., 2008

 

Eine ausführliche Analyse "Das Ende, das ihr kennt. Uwe Tellkamps postmemorialer Wenderoman Der Turm" in den Études Germaniques 2015/2

 

Der Roman wurde für einen zweiteiligen Fernsehfilm von 2012 (R: Christian Schwochow) adaptiert.

 

Jackie Thomae: Brüder

Hanser: München, 2019

 

Rezension "Flucht und Flow vs. Kompensation und Kampf" auf literaturkritik.de

 

Rezension "Das Glück lauert an der Ecke" in der Zeit vom 25.9.2019

 

Passt auch in die Kategorie Schwarze/PoC-Perspektiven.

Alexander Osang: Fast hell

Aufbau: Berlin, 2021

 

Rezension und O-Töne vom Autor "Die verletzlichen Seiten eines Reporters" im Deutschlandfunk vom 15.1.2021

 

Passt auch in die Kategorien Coming of Age und Queer im Osten.

»Nach dem Mauerfall bin ich wie eine Feuerwerksrakete in die Welt geschossen. Die ganze Enge entlud sich in einer Art Urknall. Ich glaube, ich hatte das Gefühl, viel nachholen zu müssen. Ich habe irgendwann gemerkt, dass die meisten meiner westdeutschen Landsleute gar keinen Vorsprung hatten. Es lag nicht an ihren Möglichkeiten, es lag an meinen Erwartungen. Aber da war es schon zu spät, da hatte ich schon zu viel Tempo drauf.«

Alexander Osang: Fast hell, S. 643


Birk Meinhardt: Brüder und Schwestern. Die Jahre 1989-2001

Hanser: München, 2017

 

Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher

 

Passt auch in die Kategorie Wendebrüche.


"89 goes Pop" ist Teil des BMBF-Verbundprojekt "Das umstrittene Erbe von 1989"

Weitere Informationen unter www.erbe89.de