In der öffentlichen Erinnerungskultur an „89/90“ waren lange Zeit bestimmte Ereignisse des politischen Umbruchs dominierend: die Ausreisewelle über die grüne Grenze, die Prager Botschaft, die Massendemonstrationen ab Oktober 1989 in vielen Städten der DDR und schließlich der Mauerfall im November. Die damit verbundenen Bilder wirkten nicht nur medial stilbildend, sondern sind vielfach eng verwoben mit einer bestimmten Erzählung vom Umbruch. Diese akzentuiert das massenhafte Aufbegehren gegen den autoritären Staat der DDR, eine glücklich erlangte Freiheit und den folgenden (teils als folgerichtigen, teils als zwangsläufig gedeuteten) Beitritt zur Bundesrepublik im Oktober 1990.
Diese Bilder und Erzählungen bieten auch Stoff für vielfältige literarische (und grafische) Verarbeitungen, die vor allem die Herbstereignisse 1989 in den Blick nehmen. Dabei werden die zeitgeschichtlichen Ereignisse v.a. aus der individuellen Perspektiven der Protagonist*innen heraus erzählt und damit noch einmal anders, persönlicher erfahrbar. Neben der Euphorie werden in den Texten auch Schwierigkeiten und Konfliktlinien, lose Enden und bislang wenig beachtete Ereignisse innerhalb der Umbruchszeit sichtbar.
Erich Loest: Nikolaikirche
Linden-Verlag: Leipzig, 1995
Der Roman wurde noch im selben Jahr als Vorlage für einen zweiteiligen Fernsehfilm (R: Frank Beyer) verwendet, wobei Loest auch am Drehbuch mitwirkte. Eine zeitgenössische Besprechung von Buch und Film "Teuflische Idiotie" findet sich im Spiegel vom 15.10.1995.
Passt auch in die Kategorie Familiengeschichten.
»Vier Jahre lang habe ich mich bemüht, genau herauszufinden, was damals geschah. Ich habe alle Archive durchforstet, es gibt wahrscheinlich keine Zeile, die ich nicht gelesen habe. Ich habe mit vielen Leuten geredet, die dort eine Rolle gespielt haben, und meine, dass ich dort, wo politische Genauigkeit erforderlich ist, sie erreiche.«
Erich Loest in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung vom 30.9.1995,
zit. nach Frank Thomas Grub: 'Wende' und 'Einheit' im Spiegel der deutschsprachigen Literatur, S. 408
Max Mönch & Alexander Lahl: Treibsand
Zeichnungen: Kitty Kahane
Walde und Graf: Berlin, 2014
Rezension "Die Didaktik der Groteske" auf literaturkritik.de
»Ein Staat, der auf Gefolgschaft beruht, auf Treue zur Partei, duldet keine moralische Konkurrenz. Vor allem die der Familie nicht. Die Loyalität zum Staat muss immer über der Loyalität zur Familie stehen.«
Max Mönch / Alexander Lahl / Kitty Kahane: Treibsand, S. 107
Hanna Schott: Fritzi war dabei. Eine Wendewundergeschichte
Illustrationen: Gerda Raidt
Klett Kinderbuch: Leipzig, 2009
Der Verlagstext und eine Rezensionsnotiz bei Perlentaucher
Der
Animationsfilm "Fritzi – Eine Wendewundergeschichte" (R: Ralf Kukula/Matthias Bruhn) von 2019 basiert auf Motiven des Buches.
Ein Interview mit Autorin und Illustratorin anlässlich der Filmveröffentlichung
T. Brussig: Helden wie wir, A. Platthaus: Freispiel, P. Richter: 89/90
Peter Wensierski: Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution
DVA: München, 2017
Rezension "Für ein offnes Land mit freien Menschen" auf literaturkritik.de
Motive des Buches dienten als Grundlage für eine gleichnamige Verfilmung (2021, R: Andy Fetscher), mehr Infos auf der Vorstellungsseite der ARD.
Patrick Bauer: Der Traum ist aus.
Aber wir werden alles geben, dass er Wirklichkeit wird.
Bernd Lindner & Peter M. Hoffmann: Herbst der Entscheidung.
Eine Geschichte aus der Friedlichen Revolution 1989
Ch. Links: Berlin, 2014
"Fast so, als wurde es damals aufgeschrieben, um Bild zu werden" – Autor, Zeichner und Lektorin im Gespräch über das Werk
Martin Jankowski: Rabet oder das Verschwinden einer Himmelsrichtung
Via-Verbis-Verlag: Scheidegg, 1999
Rezension im Kreuzer vom 9.4.2019
»An diesem Tag fanden die Wahlen statt, und als sie vorbei waren, hörte das Land, aus dem wir kamen, auf zu existieren. Von diesem Augenblick an begann es, wie ein morscher Baumstamm im Zeitraffer eines mecklenburgischen Dauerregens zu zerfallen. Und war ein paar Monate später verschwunden. Die Zahlen hatten entschieden.«
Martin Jankowski: Rabet oder Das Verschwinden einer Himmelsrichtung, S. 244
Antony Johnston: The coldest City
Zeichnung: Sam Hart
Orig.-Ausg.: Oni Press: Portland, 2012
Dt.-Ausg.: Cross Cult: Ludwigsburg, 2017
Rezension "Kälter geht’s wirklich nicht"auf comic.de
Ingo Schulze: Adam und Evelyn
Berlin Verlag: Berlin, 2008
Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Der Roman diente als Vorlage für den gleichnamigen Film (R: Andreas Goldstein) von 2019.