Es gibt die Berlin-Romane, und – in geringerer Zahl – die Leipzig-, Dresden-, und jüngst auch Chemnitz-Romane. Daneben gibt es aber auch Romane und Texte über Wende- und Nachwendezeit, welche den Blick auf die Provinz richten, auf den ländlichen Raum, die Dörfer, die kleinen und mittelgroßen Städte. In diesen Romanen kommen bevorzugt Themen in den Blick, die nach den kurz-, mittel- und langfristigen Folgen des Transformationsprozesses fragen und die von Arbeitslosigkeit, Abwanderung und Rechtsradikalismus erzählen.
Zugleich werden in den ländlichen Mikrokosmen die Kontinuitäten in den Brüchen sichtbar. Diese werden erzählt entlang der miteinander verwobenen Geschichten der Protagonist*innen, dem Weiterbestehen von Mentalitäten, Riten und Traditionen, aber auch dem Fortwirken von Tabus und Geheimnissen und einer Kultur des Schweigens. Darüber hinaus sind die Romane oft auch ein Kommentar zur Darstellung „des Ostens“ als abgehängt, grau und prekär. Ihnen stellen die Romane Bilder und Erzählungen gegenüber, die einen vielschichtigen Blick auf den ländlichen Raum im Osten nach 1989/90 ermöglichen.
Juli Zeh: Unterleuten
Luchterhand: München, 2016
Rezension "Die Landidylle, in der Gewalt alltäglich ist" in
der SZ vom 21.3.2016
Trailer zur dreiteiligen Fernsehserie "Unterleuten. Das zerissene Dorf" (R: Matti Geschonneck) nach Vorlage des Romans von 2020
Passt auch in die Kategorie Familiengeschichten.
»Fuhr man von Berlin Richtung Unterleuten, überquerte man auf dem letzten Streckenabschnitt die Plausibler Platte, eine in der Eiszeit entstandene Hochfläche, auf der links und rechts der Straße rund 180 Windkraftanlagen standen. Bei Tag verbreitete die träge Bewegung der Rotoren einen schwer beschreibbaren Weltschmerz. Bei Nacht erzeugte das rhythmische, aber niemals synchrone Blinken der Warnleuchten hypnotisch Zustände.«
Juli Zeh: Unterleuten, S. 203
Lutz Seiler: Kruso
Suhrkamp: Berlin, 2014
Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Der Roman war Vorlage für einige Theateradaptionen, etwa am Theater Magdeburg 2015 oder am Schauspiel Leipzig 2016, und erschien 2018 auch als Spielfilm (R: Thomas Stuber).
André Kubiczek: Das fabelhafte Jahr der Anarchie
Rowohlt: Berlin, 2014
Rezension "Ein paar Monate Glück und Freiheit" bei literaturkritik.de
Passt auch in die Kategorie Coming of Age.
Grit Lemke: Kinder von Hoy
Suhrkamp: Berlin, 2021
Rezension "Eine Stadt mit zwei Gesichtern" auf literaturkritik.de
Eine Lesung des Buches von MDR Kultur
Passt auch in die Kategorien Coming of Age und Wendebrüche.
Judith Zander: Dinge, die wir heute sagten
DTV: München, 2010
Rezension "Rekonstruierte Vergangenheit" im Deutschlandfunk Kultur vom 15.9.2010
»Aber na ja, da ist nun mal einer gekommen zum Anstarren, und zwar nach Bresekow, und nicht nach Anklam. Da kommt nämlich auch keiner hin, normalerweise. Das machen sie doch auch bald dicht, da braucht sie sich gar nichts einbilden drauf. Hier ist sowieso Feierabend. Kein Schwein zieht hierher, freiwillig, die hauen doch alle ab, sobald sie können. Ich will nach Berlin, wie Thorsten. Oder in die Schweiz, später. Wie ist es eigentlich in Irland so? Er hat sich jedenfalls hergetraut.«
Judith Zander: Dinge, die wir heute sagten, S. 37
Saša Stanišić: Vor dem Fest
Luchterhand: München, 2015
Rezension "Null Kneipen, aber Sterni mit Schnittchen" auf Spiegel Online
vom 6.3.2014
Judith Schalansky: Der Hals der Giraffe
Suhrkamp: Berlin, 2011
Rezension "Die Spitze der Nahrungskette" auf literaturkritik.de
Passt auch in die Kategorie Wendebrüche.
»Alle pflanzten sich munter fort. Nur ihre Artgenossen nicht. Stattdessen taten sie, als wäre hier nichts mehr zu holen, als fände die Zukunft woanders statt, irgendwo da draußen, jenseits der Elbe, der Grenze, des Kontinents. Alle sahen zu, dass sie irgendeinen Zipfel einer Wirklichkeit zu fassen bekamen, die sie hier partout nicht sehen wollten. Als ob es an diesem Ort kein Leben gab. Überall war Leben. Selbst im abgestandenen Regenwasser.«
Judith Schalansky: Der Hals der Giraffe, S. 41
Julia Schoch: Mit der Geschwindigkeit des Sommers
Piper: München, 2009
Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Lukas Rietzschel: Mit der Faust in die Welt schlagen
Ullstein: Berlin, 2018
Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Passt auch in die Kategorie Coming of Age.
F. C. Delius: Die Birnen von Ribbeck, R. Scheer: Machandel, P. Irmschler: Superbusen, J. Zander: Johnny Ohneland, T. Sila: Tierchen unlimited, P. Hofmann: Die letzte Sau, M. Präkels: Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß, M. Kraske: Vorhofflimmern, N. Schneider: Drei Kilometer
Ulrike Almut Sandig: Monster wie wir
Schöffling & Co: Frankfurt a.M., 2020
Rezension "Sexueller Missbrauch im Pfarrhaus" im Deutschlandfunk Kultur vom 11.8.2020
»Meine Eltern kamen gar nicht dazu, sich zu versöhnen. Abends schwang Pap sich in den Trabi und fuhr noch einmal rüber zu Großvater, der besseren Empfang hatte. Gemeinsam mit ihm sah er die tränenüberströmten Gesichter der Neuankömmlinge in Bayern, die in die Kameras hinein sagten: Dass wir das schaffen würden, wer hätte es geglaubt. Großvater saß dann im Sessel neben ihm und schlotterte vor sich hin. War es die Aufregung über die neue Zeit, war es der lange Winter, er wurde ein Strich in der Landschaft. Wolldecken lehnte er ab.«
Ulrike Almut Sandig: Monster wie wir, S. 95
Karen Duve: Regenroman
Eichborn: Frankfurt a.M., 1999
Rezension "Die Frau, das Moor, der Tod" auf literaturkritik.de
Passt auch in die Kategorie West-Ost/Ost-West.
Moritz von Uslar: Deutschboden. Eine teilnehmende Beobachtung
Kiepenheuer & Witsch: Köln, 2010
Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Das Buch diente als Vorlage für den gleichnamigen, semi-dokumentarischen Film (R: André Schäfer) von 2013.
Siehe auch die Debatte um das Buch in der Zusammenfassung "
Passt auch in die Kategorie West-Ost/Ost-West.
Moritz von Uslar: Nochmal Deutschboden. Meine Rückkehr in die brandenburgische Provinz
Kiepenheuer & Witsch: Köln, 2020
Der Verlagstext und Rezensionsnotizen bei Perlentaucher
Passt auch in die Kategorie West-Ost/Ost-West.