Deutungen und Deutungskonflikte

1989 ist ein umstrittener Erinnerungsort. Das haben die Diskussionen und Debatten in den letzten Jahren erneut und mit Vehemenz gezeigt. Nach wie vor konkurrieren unterschiedliche Erinnerungen und Deutungen darum, welches Erinnern nun das 'richtige' und legitime ist.

Die von dem Historiker Martin Sabrow konstatierten drei Typen von Erinnerung an 1989 – das Revolutionsgedächtnis, das Wendegedächtnis und das Anschlussgedächtnis – haben sich im Lauf der Zeit mehrfach überlagert. Sie haben sich in ihrer Relevanz und Sichtbarkeit verschoben und wurden zum symbolischen Ankerpunkt politischer Auseinandersetzung sowie zu einem wichtigen Bezugspunkt in der Aushandlung ostdeutscher Identitäten

 

Lange dominierte in Geschichtspolitik und Geschichtskultur die Erzählung von der friedlichen Revolution als einer Freiheits- und Erfolgsgeschichte, die unmittelbar verbunden ist mit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Als zentrale Daten dieser Erzählung gelten der Mauerfall am 9. November 1989 sowie der Tag der deutschen Einheit, der 3. Oktober 1990.

 

In jüngeren und jüngsten Diskussionen wird diese Erfolgserzählung zunehmend in Frage gestellt: Fand 1989 überhaupt eine Revolution statt? Und war diese nur friedlich? Wie heterogen waren eigentlich die beteiligten Akteursgruppen? Was waren ihre Wünsche, Hoffnungen, Zukunftsvorstellungen? Aber auch: Vor welchem Erfahrungshintergrund haben sie gehandelt? Kann die friedliche Revolution als Erfolgsgeschichte erzählt werden, ohne die Verheerungen der unmittelbar folgenden Transformationsgeschichte zu erzählen? Generieren sich in einem Prozess des Umdeutens von 1989 neue Erinnerungsbedürfnisse und Erinnerungsnotwendigkeiten? Und auf welche gesellschaftlichen Veränderungen verweisen diese? 

 

Auch in populären Darstellungen wurden in den letzten 30 Jahren diese Themen und Fragen verhandelt. Die Darstellungen in Literatur, Musik, Film oder sozialen Medien sind dabei zum einen stets Spiegel ihrer Zeit. Zum anderen beeinflussen sie als Erinnerungsmedien selbst den Diskurs. Denn populäre Darstellungen zu 1989 und der sog. Wendezeit unterhalten nicht nur. Vielmehr eröffnen sie (potentiell) Räume für konkurrierende Erinnerungen. Sie bieten Anlässe zur Reflexion des eigenen wie des kollektiven Gedächtnisses. In dieser doppelten Funktion kann die populäre Geschichtskultur zu 1989ff. selbst historisiert und in ihrer historischen Veränderlichkeit und Bedingtheit betrachtet werden. Zum Begriff "populäre Geschichtskultur" siehe auch hier.

"89 goes Pop" ist Teil des BMBF-Verbundprojekt "Das umstrittene Erbe von 1989"

Weitere Informationen unter www.erbe89.de